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Brentanophantasien

Gattungen
Vokalmusik
Solo- und Kammermusik
Werkgruppen
Romantikprojekt
Nach den Zeiten von Philipp Otto Runge, Texte von Clemens Brentano und anderen

Teile

Der Morgen - Phantasie für Klavier solo
Der Tag - Scherzo für Stimmen und Klavier
Der Abend - Liederzyklus
Intermezzo - für Bariton und Klavier
Die Nacht - Fragmente für Stimmen und Klavier

Texte von Clemens Brentano und anderen
Ausführlichere Titelversion: s. Beschreibung

Text
Clemens Brentano 1778 - 1842 u.a.
Jahr
1995
Dauer
60'
Besetzung

Sopran mit starker tiefer Lage, Bariton und Klavier

Bemerkung

Komponiert im Auftrag der Musikkreditkommission Basel und der Stiftung Pro Helvetia

zum Werk siehe auch:
Roman Brotbeck in dissonance Nr. 47 - Februar 1996
Roland Mosers «Brentanophantasien»

© Roman Brotbeck

Widmung

Die Brentanophantasien, zwischen 1988 – 1995 entstanden, sind in Dankbarkeit Márta und György Kurtág gewidmet.

Varianten

Fragment-Fassung für Bariton und Klavier

«Der Morgen» - erster Teil der «Brentanophantasien» für Klavier solo - kann, mit verändertem Schluss, separat aufgeführt werden.
Der Morgen

Beschreibung

Der Morgen - Phantasie über den Introitus Quasimodo geniti infantes für Klavier allein (mit einem Nachwort des Sängers
Der Tag - Scherzo mit tausend Wörtern aus Brentano und Wunderhorn für Bariton, Sopran und Klavier
Der Abend - Lieder und Duette über Gedichte von Clemens Brentano für Sopran, Bariton und Klavier
Intermezzo - auf den Tod des Malers Runge, Sonett von Achim von Arnim für Bariton und Klavier
Die Nacht - Fragmente, mit Texten aus vielen Zeiten für Klavier und zwei Stimmen

Programmnotizen vom November 1995
© Roland Moser

Brentanophantasien (1995)
nach den Zeiten von Philipp Otto Runge, Texte von Clemens Brentano und anderen

Clemens Brentano (1778 – 1842), ebenso berühmt wie ungekannt, ist im Gegensatz zu Heine, Eichendorff und neuerdings Hölderlin von den Komponisten eher umgangen worden. 
Masslosigkeit, harte Wechsel der Tonlage, eine manchmal sich verselbständigende, fast unanständig virtuose Sprachartistik mögen der Identifikation mit diesen Dichtungen im Weg gestanden haben.

Die Musik der Brentanophantasien geht denn auch nicht aus Übereinstimmung mit den Texten hervor. Hier liegt vielleicht die grösste Differenz zur romantischen Liedtradition. Der kompositorische Ansatz ist ein darstellender, darin eher dem Barock oder Eislers Umgang mit Sprache vergleichbar.

Die Brentanophantasien sind kein Liederzyklus. Sie bestehen vielmehr aus vier ganz verschiedenartig konzipierten Sätzen oder Teilen, in denen dem Klavier wie den Singstimmen eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Die extrem auseinanderstrebenden Kräfte der Texte werden – als Bezugsrahmen – Philipp Otto Runges vier Zeichnungen zu den Tageszeiten entgegenstellt. Brentano hat diese Blätter geliebt, für viele Romantiker waren sie „Ikonen“, in denen – so paradox das klingen mag – Entgrenzung ihre sinnbildhafte Form gefunden hatte.

I   Der Morgen, ein längeres Klavierstück über den gregorianischen Introitus Quasimodo geniti infantes – wie neugeborne Kindlein ohne Trug begehret nach der Milch.

Im Tagebuch der Ahnfrau hat Brentano sich selbst als Büblein dargestellt. Der Blick des Kindes durchzieht – Mass gebend – sein ganzes Werk.

II Der Tag, ein „Scherzo mit tausend Wörtern“, ein Sprachwirbel, ein Gang durch den Wald, durchs eigene Dunkel hin zum brüderlichen Du. Der Jäger an den Hirten. Das Schlusslied der Schäferin, ein Text aus dem Wunderhorn, stellt sich spielerisch den Männerfantasien entgegen.

III Der Abend, eine Folge von Liedern und Duetten verschiedenster Art. Tief- und Blödsinn berühren sich. Das Licht zerfällt in einzelne Farben. Die Musik setzt sich aus Rohem und Verwickeltem zusammen, nicht selten gleichzeitig.

Intermezzo, auf den Tod des Malers Runge, mit Achim von Arnims seltsam aktuell anmutender Zeitdiagnose: 
„Die Tage werden kurz, die Nächte lang, die kranke Erd‘ erträgt nicht mehr die Lust…“

IV Die Nacht. Fragmente. Die Texte, fast alles Bruchstücke aus grösseren Zusammenhängen, stammen aus vier Jahrhunderten (von Paul Fleming bis Paul Celan) und überlagern sich meistens, gleichsam Interferenzen erzeugend. Die Sprache dringt auch aus den fremden Texten und einem letzten „Lied ohne Worte“ des Klaviers hervor. Der Entgrenzung der Zeiten entspricht eine musikalische Schreibweise, die surrealistischen Texten vergleichbar ist.

 

 

Uraufführung
Zürich, 6. Nov. 1995, weitere: Basel 7.11.1995, Bern 11.11.1995
Besetzung der Uraufführung

Sylvia Nopper, Sopran
Kurt Widmer, Bariton
Gertrud Schneider, Klavier

Verlag
SME/EMS
SUISA
002500 383 08